Wallfahrtskirche

Wallfahrtsort und Pilgerstätte

Die Bezeichnung „Mariazell“ wird erstmals um das Jahr 1700 erwähnt.

Mariazell, am Nordhang des „Zellerhorns“, unweit der Burg Hohenzollern und ca. 1,5 km südlich des Stadtteils Hechingen-Boll gelegen, geht vermutlich auf eine Mönchszelle des Klosters St. Gallen zurück. Dieses Kloster hatte im Jahre 789 ein Hofgut „am Abhange“ eines hohen Berges bei Hechingen geschenkt bekommen. Ganz in der Nähe führte die uralte „Erntstaig“ auf die Albhochfläche hinauf, auf der die Klosterleute ihre Einkünfte aus Besitzungen in der Raumschaft nach Süden beförderten. Da die alte Erntstaig heute noch so heißt und über das Gewann „Reute“, Markung Boll, den steilen Berg hinauf am „Backofenfelsen“ vorbei auf die Alb führt, wissen wir, daß unser Zell gemeint ist. Aus der Zelle wurde eine Siedlung Zell mit einem Ortsadel der Herren „von Zell“ und einer Pfarrkirche des hl. Gallus. Die Orte Boll, Stetten sowie die abgegangenen Siedlungen „Semdach“ und „Weiler“ und ein Teil von Zimmern wurden kirchlich von Zell aus betreut. Urkundlich wird Zell erstmals mit Werner von Zell im Jahre 1255 genannt.

Die Bezeichnung „Mariazell“ wird erstmals um das Jahr 1700 erwähnt. Die Bollemer nennen das Kirchlein einfach „Zell“. Wir haben es also mit einem typischen Zell – Ort zu tun, einer „Cella“, wie sie die Klöster des frühen Mittelalters zur Christianisierung und Verwaltung ihrer sehr weit zerstreut liegenden Besitzungen errichtet haben; als eindeutiger Hinweis auf das Gründungskloster ist der alte Patron der Kirche zu werten: St. Gallus.

Zur Baugeschichte

Im Jahre 1361 war Heinrich der Sachs Pfarrer zu „Zell“, ein Verwandter der Herren von Boll. In der Folgezeit wurde die Siedlung „Zell“ nach und nach aufgegeben und die Siedlung Boll nahm an Einwohnern und Bedeutung zu. Bei der einsamen Lage und den kriegerischen Ereignissen jener Zeit – Belagerung und Zerstörung der Burg Hohenzollern 1423 – ist es verständlich, daß der Pfarrsitz nach dem nahen Boll verlegt wurde, was bald nach 1488 erfolgt sein dürfte. Von der Siedlung „Zell“, der Burg und einer Mühle ist nichts mehr erhalten, da ihre Spuren durch späteren Tuffabbau völlig verwischt wurden. Wissenschaftliche Bodenuntersuchungen aus dem Jahre 1952 bestätigen jedoch ihre frühere Existenz. Aus alten Überlieferungen ist bekannt, daß im Dreißigjährigen Krieg bei der Belagerung der Burg Hohenzollern im Jahre 1631 das „Mariazeller Kirchlein“ abgebrannt sei, das Gnadenbild in wundersamer Weise aber erhalten blieb. Ein Soldat, der es in die Flammen geworfen habe, sei am selbigen Tage noch ums Leben gekommen. Ein sogenanntes Sühnekreuz, das bis vor einigen Jahrzehnten am Feldweg nach Boll gestanden hatte, hat an diese Geschehnisse erinnert.

Von unsichtbarer Hand, von Engeln selbst getragen.

Eine andere Legende, die in der Bibliothek der Burg Hohenzollern ihre bildliche Darstellung gefunden hat, erzählt, daß das schöne Kirchlein „Mariazell“ hinunter nach Boll verlegt wurde. Über Nacht hätten es jedoch Engel wieder an seinen alten angestammten Platz zurückgetragen. Wo aber steckt der wahre Kern dieser Geschichte? Unbestritten ist, daß die Bewohner von Zell im 14. und 15. Jahrhundert ihr Dorf verließen, um sich in Boll anzusiedeln. Ihnen folgte schließlich auch der Pfarrer von Zell. Boll war also eine für die damaligen Verhältnisse schnell wachsende Gemeinde, allerdings ohne Kirche. Diesem Mangel wurde durch den Neubau der ersten St. Nikolauskirche, wahrscheinlich gegen Ende des 15. Jahrhunderts, abgeholfen. Das genaue Baudatum ist nicht bekannt. (Diese, am Fuße des Wingenrain gelegene Kirche, war bis zum Bau der zweiten St. Nikolauskirche im Jahre 1909 Pfarrkirche von Boll. Sie wurde im Jahre 1909 abgetragen). Obwohl in Boll nun „die Kirche im Dorf“ war, hielten die Gläubigen an „ihrem“ Mariazell in unverbrüchlicher Treue fest. Die 1631 ruinierte Kirche wurde wieder aufgebaut und 1655 als Pfarrkirche von Boll geweiht. Im Jahre 1757 erfolgte eine Erweiterung und ein Umbau, der wohl nahezu einem Neubau gleichkam. Planung und Leitung lagen in den bewährten Händen des Haigerlocher Baumeisters Großbayer. Die Grundsteinlegung erfolgte im Juli 1757. Anlässlich dieser Erweiterung entstand auch die Empore.

Zahlreiche Schäden durch mehrere Erdbeben.

Ein schweres Erdbeben in der Nacht vom 16. auf den 17. November 1911 hat an der Kirche „Mariazell“ großen Schaden angerichtet, der durch die Gemeinde Boll in dreijähriger Bauzeit aus eigenen Finanzmitteln behoben wurde. Der Kunstmaler August Pfister aus Gruol bei Haigerloch erhielt den Auftrag, die Deckengemälde im Kirchenschiff (Maria Himmelfahrt) und im Chor (Maria Verkündung) wieder neu zu malen. Durch den ersten Weltkrieg (1914 – 1918) konnte er das dritte Bild, Maria als Fürsprecherin der armen Seelen und Kranken – ebenfalls im Schiff – erst im Jahre 1919 vollenden. Im Jahre 1943 richtete ein weiteres Erdbeben wiederum großen Schaden an. Die Gemeinde konnte auch diesen Schaden aus eigener Kraft beheben. Groß waren die Schäden aus dem Erdbeben am 22. Januar 1970. Die Gemeinde Boll war außerstande, den schweren Schaden zu beheben, und suchte Hilfe beim Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg. Dieses beauftragte das Erzbischöfliche Bauamt in Konstanz, die Angelegenheit planerisch zu übernehmen. Sowohl die Untersuchungen am Fundament als auch die Bohrungen unter der Kirche fielen positiv aus. Trotzdem zogen sich die Untersuchungen und Sanierungen nahezu 4 Jahre hin. Nach Abschluß dieser umfangreichen Arbeiten wurde die Wiedereröffnung auf den 1. Mai 1977 angesetzt. Die Freude über die nun wieder schön hergerichtete Wallfahrtskirche währte nicht lange, denn am Sonntag, den 3. September 1978, morgens um 06.08 Uhr, erschütterte wiederum ein starkes Beben die Bewohner unserer Heimat. Das Beben hatte die Stärke 6 und richtete vor allem im Chor großen Schaden an. Auch das Dach der Kirche war stark in Mitleidenschaft gezogen.

Förderverein zur Erhaltung und Pflege der Wallfahrtskirche „Mariazell“.

Im Februar 1975 wurde zur Unterstützung der Finanzierung der Sanierungsmassnahmen ein gemeinnütziger Förderverein unter der Führung von Herrn Walter Renner aus Boll gegründet. Dieser wurde nach Abschluss der Baumassnahmen im März 1977 aufgelöst. Nach Abschluß der erforderlichen Renovierungsarbeiten erfolgte die erneute Wiedereröffnung am 1. Mai 1982. Im Januar 1998 gründete der damalige Ortsvorsteher Peter Beck erneut einen Förderverein – zur Erhaltung und Pflege der Wallfahrtskirche „Mariazell“. In den Jahren 2010 – 2012 erfolgte eine komplette Innenrenovation des Kirchenschiffes. Darauf folgte in 2014 die Sanierung des Teilstückes der historischen Friefhofsmauer. Die Neueindeckung des Kirchendaches mit Sanierung des kompletten Holzgewerkes an der historischen Wallfahrtskirche erfolgte im Jahre 2015. Schäden am Gebälk des Turmes, die bei der Dachsanierung festgestellt wurden, machten eine komplette Turmsanierung notwendig, bei der dieser dann auch auf seinen ursprünglichen Platz zurück versetzt werden musste. Mit erheblichem Kostenaufwand verbunden fand diese Maßnahme im April 2018 ihren Abschluss.

 

Information

Hier finden Sie den aktuellen Kirchenführer als PDF-Datei.